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Das Jahr 1979
Auf dem Scheitelpunkt angekommen …
Das Jahr begann recht furios, denn Mitte Januar fand in Berlin eine Singe-Aktivtagung statt, zu der
der Klub eingeladen war. Migo hatte die Ehre, im Präsidium zu sitzen und durfte eine Rede halten.
Nichtdie, die er eigentlich halten wollte, denn von der hatten die Zentralratsfuzzis nur Fragmente
übrig gelassen. Sie war zu sehr auf die Maxhütte bezogen und nicht republikmäßig repräsentativ
genug für einen Arbeiterjugend-Singeklub. Aber egal - der Singeklub bekam im Anschluß vom ewig
lächelnden Egon Krenz die Artur-Becker- Medaille in Gold überreicht und durfte am Abend in einer
Live-Sendung das Bierlied über die Bildschirme trällern. Kurz zuvor war übrigens auch das Spulen-
lied von Reinhard Hofmann als Liedbeilage in der FF-Dabei abgedruckt worden.
Wenig später, vom 9. bis 18. Februar, war der Klub wieder in Berlin - als Teilnehmer am 9. Festival des politischen Liedes.
Viel Auftritte gab es nicht, aber man war am Tag der DDR bei der Fernsehübertragung dabei, Das Bierlied wurde gesungen und
das Spulenlied und bei der Foyerfete machte der Klub vor allem mit Singebewegungs-Oldies, wie "Schau her" oder "Sag mir, wo
Du stehst Furore. Sehr interessant war ein Treffen mit der Gruppe "Floh de Cologne", die zu dieser Zeit bereits an ihrem "Koslowsky"
Programm arbeiteten, das u.a. in der oberpfälzischen Maxhütte angesiedelt war. Klar, daß ihr Interessegeweckt war, als sie von
unserer Maxhütte hörten. Man vereinbarte ein Treffen in Unterwellenborn...
1979 war ein kalter Winter - nicht nur um die Jahreswende, als die Insel Rügen im Schneechaos versank, auch im Februar meldete
sich der Winternocheinmal mit Macht zurück. Aber auch im Singeklub herrschte tagelang eine frostige Stimmung. Ursache war,
daß es schon geraume Zeit Spannungen zwischen Reinhard Hofmann auf der einen und Bernd, Thomas und Migo auf der anderen
Seite gegeben hatte, die sich nun entluden. Nach einer langen und nervenaufreibenden Diskussion trennten sich die Wege von
Reinhard und Singeklub. Man konnte einfach nicht mehr miteinander...
Trotz allem - bei späteren Begegnungen, und die waren recht häufig, da Reinhard ja Mitglied der Bezirksberatergruppe war, war das
Verhältnis zwischen ihm und dem Klub immer ein entspanntes und freundschaftliches Miteinander.
Zurück vom Festival wurde in Unterwellenborn erstmal wieder professionell "geblödelt. Anders gesagt: Bereits im November 1978
hatte man sich in Singeklub und Tanzgruppe des Ensembles wieder Gedanken um den Fasching gemacht. Keine Neuauflage des
vorangegangenen Programms sollte es werden, sondern etwas völlig Neues - mit einem Motto. Irgendwer war auf die Idee gekom-
men, daß der Höllenfürst (Migo) mit seinen teuflischen Gesellen (Singeklub und einige Mitglieder der Tanzgruppe) die trägen und
prüden Engel und vor allem Engelinnen der Tanzgruppe samt ihres Anführers Petrus überfallen undzu orgiastischem Treiben
während der tollen Tage verführen sollten. So kam es auch - und Unterwellenborn erlebte zwei Faschingsbälle, die später nie wieder
in ihrer Qualität übertroffen werden sollten. Dies war nämlich das letzte Mal, daß Singeklub und Tanzgruppe sich der Mühe unterzogen, ein solch aufwändiges Programm zu erarbeiten.
Über die Tanzgruppe jedoch lernte der Singeklub einen Pianisten kennen, der dort als
freiberuflicher Korrepetitor arbeitete, über ein eigenes Rhodes-Piano ebenso verfügte
wie über professionelle musikalische Kenntnisse auf dem Gebiet der Rockmusik.
Eckard-Serjosha Stüven war willig, dem Klub beizutreten und traf dort auf die ebenso
interessierten Neu-Mitglieder Ferdinand Frenzel und Jürgen Nabel, die schon Wochen
zuvor durch Bekanntschaft von Udo Knabner zum Klub gekommen waren. Beide waren
ebenfalls rockmusik-intressiert und somit eine willkommene Bereicherung für den Klub.
Ferdinand brachte einen VOX AC 30 inclusive seiner Freundin Angelika Kästner und
Jürgen einen kleinen Fender-Kofferverstärker mit. Über die FDJ-GOL hatte der Club
bereits einen Hagstroem-Bass und einen Bassverstärker namens SAM (ein Dynacord-
Imperator-Nachbau) erhalten, der bis dato von Thomas bedient wurde. Dieser verlegte
seine Tätigkeit nun mehr auf die Gitarrenbegleitung. Jetzt wurde es lauter in den Proben,
denn Ferdinand bestand auf einer gewissen "Grundlautstärke" seiner Hagstroem und
AC 30. Zu den Bezirkswerkstatt-Tagen, die wiederum im Mai in Unterwellenborn stattfanden, stellte der Klub kein neues Programm, sondern lediglich einige neue Titel vor, die er zusammen mit älteren in ein Mix-
Programm einband. Zusammen mit der Gruppe „Liedehrlich“ aus Gera (einer Gruppe um Stefan Krawczyk, die aus dem ehemaligen Singeklub Patria hervorgegangen war) wurde der Klub zur zentralen Werkstattwoche
delegiert, die als Bestandteil des nationalen Jugendfestivals zum 30. Jahrestag der DDR zu Pfingsten 1979 in Berlin stattfinden sollte.
Zum Pfingstreffen der FDJ war der Klub wieder vom Zentralrat eingeladen worden. Das hieß: Auftritte,
für die sogar Honorar bezahlt wurde, ebenso für die notwendigen Proben, und ansonsten Freizeit ohne
Gängelung durch irgendwelche Zehnergruppenleiter..
Größter und wichtigster Auftritt war zweifelsohne der auf dem Bebelplatz - eine Riesen-Singeveranstal-
tung auf dem Bebelplatz, die auch im Fernsehen übertragen wurde. Bei den Proben traf der Klub auch
Dean Reed wieder, der schon einmal in Unterwellenborn zu einem Konzert war und Ferdinand hatte
endlich jemanden gefunden, mit dem er sich über amerikanische Rockstars unterhalten konnte...
Einen weiteren wichtigen Auftritt gab es in der Kongreßhalle, bei dem auch Manfred Krug mit der
Günter Fischer-Band auftrat und sich sofort an Halle und den Singeklub Maxhütte erinnerte.
Bereits Anfang Mai hatte eine Journalistin der Gewerkschaftszeitung "Tribüne" Migo gesteckt, daß es
für den Klub in diesem Jahr noch eine sehr hohe Auszeichnung geben sollte - wahrscheinlich den
Kunstpreis des FDGB. Und die gab es dann tatsächlich auf einem Empfang in Berlin am 1. Juli,
zu dem Monika Roth, Detlev Kämmer und Migo fuhren. Es war übrigens der gleiche Fahrer, der 1974
den Unfall auf dem Weg zur Jugendhochschule gebaut hatte - aber diesmal kamen alle heil ans Ziel
und mit einer kurzen Schrecksekunde eines Beinahe-Unfalls auf der Rückfahrt zurück nach Hause.
Bei der Feier nach der Medaillenübergabe lernten die Klubmitglieder auch Gisela May kennen, mit
der ein Auftritt in Unterwellenborn vereinbart wurde, der dann tatsächlich im November stattfand.
Ein Kunstpreis mit Urkunde allein ist schon etwas Feines - verzuckert wurde das Ganze noch mit
einem Scheck über 16.000 Mark. Hinzu kamen noch knapp 2500 Mark Honorar vom Pfingsttreffen,
so daß der Klub über ein ordentliches Sümmchen für den Kauf von Instrumenten und Technik verfügte.
Zu Hause in Unterwellenborn gab es einen Empfang im Jugendzimmer mit Grußworten der lokalen
Prominenzen, Telegramme und Glückwünsche zu Hauf.
Vom plötzlichen Geldsegen konnte sich der Klub dann auch einen Satz Paiste-Becken für das Schlag-
zeug und einige Sennheiser-Mikrofone zulegen…
Dann war erst einmal Sommerpause - und ab September probte der Klub ohne Migo weiter.
Dieser hatte bereits zum Pfingsttreffen gegenüber dem Leiter der zentralen Beratergruppe seinen
Austritt aus dem Gremium erklärt und es mit beruflichen und familiären Gründen erläutert.
Die gleichen Gründe waren es auch, daß Migo den Klub vorübergehend verließ. Er hatte 1978 ein
Fernstudium an der Fachschule für Klubleiter begonnen, im Kulturhaus ein neues Aufgabengebiet
übernommen, zu Hause waren inzwischen 3 Kinder - alles in allem wollte er etwas kürzer treten.
Und bis Ende des Jahres hielt er das auch durch. Der Klub probte weiter mit seiner nun schon sehr
versierten Band um Ferdinand, Jürgen, Udo Klinger und Serjosha. Im Oktober nahm er an einem
Jugendtreffen in Karl- Marx-Stadt teil.
Allerdings gab es in den Proben kein inhaltliches Programmziel, auf das hingearbeitet wurde. Der
Klub hatte einen Zenit erreicht und wollte sich wohl zunächst einmal Zeit lassen, ehe er sich neuen
Inhalten zuwenden wollte. Keine so richtig gute Idee, wie die Zukunft zeigen sollte…
Fasching 1979
im Kulturhaus
Floh de Cologne bei
ihrem Maxhüttenbesuch
Zwei Urkunden und ein Volkswacht-Artikel von der Unterwellenborner Bezirkswerkstatt